Obama! Zu spät! Die Hesse komme!

Der Empfang in Phoenix ist überwältigend. Die Leute sind außer Rand und Band. Johlen, tanzen, grölen, feiern. „Vielleicht wisst ihr‘s nicht“, beruhigt der Mann des Abends, „aber der Super Bowl ist erst am Sonntag. Tom Brady ist nicht hier. “ Nein, es ist wirklich nicht der Coverboy des American Football, der die Menge an diesem Abend zum Kochen bringt. Es ist Barack Obama, möglicherweise der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Super Sunday, Super Tuesday

Nur zwei Tage nach dem Supersonntag für alle Football-Fans findet in den USA der so genannte Super Tuesday statt: Vorwahlen in Arizona und weiteren 23 Bundesstaaten, in denen die Demokraten und die Republikaner ihre Kandidaten für die Präsidentschaft küren. Also macht Demokrat Obama Werbung in eigener Sache und propagiert seine Idee künftiger amerikanischer Politik: „Change we can believe in.“

Alle gegen Bush


Vor den 13.000 Anhängern im Arizona Veterans Memorial Coliseum kommt der Senator aus Illinois an mit seinem Versprechen des „wahren Wechsels“. Dem Kampf gegen Washingtons Establishment, der vor allem die Abrechnung mit dem aktuellen Amtsinhaber einschließt, der nicht wiedergewählt werden kann. „Was auch immer im November 2008 passiert. Ihr wisst, dass der Name George W. Bush nicht auf dem Wahlzettel stehen wird.“

Wenn Hessen zu spät kommt…


Allein für diesen Satz wird der 46-Jährige gefeiert, als hätte er gerade zum dritten Mal die Vince-Lombardi-Trophäe errungen, die Krone des US-Nationalsports Football. Selbst der Kollege J. und ich sitzen auf der Tribüne und wünschen uns, Quarterback-Legende Brett Favre würde die Obama-Supporter-T-Shirts zu uns in die Oberränge werfen und nicht der Partei-Soldat mit dem schwachen Wurfarm. Wenn wir nicht zu spät gekommen wären, hätte uns ein Platz an der Bühne tolle Souvenirs für die heimische Redaktion in Hessen beschert.

Barber und Rosicky auf der Tribüne

Vor allem weiße Amerikaner jubeln dem Farbigen Obama zu. Aber auch einige Schwarze und Asiaten. Oldies sitzen genauso im Rund der Sporthalle wie Teenies – vom Footballfan im Dress des früheren Giants-Spielers Tiki Barber bis zum Kiddy im Trikot von Tomas Rosicky (!) ist wirklich alles vertreten. Seit Shooting Star Obama jüngst den Kennedy-Clan auf seine Seite brachte, gewinnt die Kampagne weiter an Momentum, wie man in den USA so schön sagt. Auch, weil er sich nun hemmungslos im Vokabular der vielleicht größten amerikanischen Politik-Ikone John F. Kennedy bedienen kann. „Verhandele nie mit Furcht, aber fürchte dich nie zu verhandeln“, ist nur eins von vielen Zitaten, mit denen Obama am heutigen Abend seine feurige Rede würzt.

Viele Diagnosen, wenig Rezepte

In vielen Dingen bleibt der gelernte Jurist aber unkonkret wie ein schlechter Pass von New Yorks Quarterback Eli Manning. Hoffnung solle man haben, den Wechsel wollen, die Zeit dafür sei reif. Obama spricht von Amerikas Schande, dass Menschen trotz Arbeit arm seien, vom kranken Gesundheitssystem und der begründeten Angst vor Arbeitslosigkeit. Er mahnt eine kluge Einwanderungspolitik ebenso an wie bessere Erziehung. Viele Diagnosen, wenig Rezepte. Wahlkampf eben. Nur beim Krieg legt er sich fest: „2009 kommen unsere Truppen aus dem Irak zurück, wenn ich Präsident werde.“ Ein Rocksong beschließt die Politik-Show: „You’ve got the future in your hand. Signed, sealed, delivered…“

Phoenix/Arizona, Donnerstag, 31. Januar 2008 von Patrick

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