Im Locker-Room mit Dirkules

Der große Meister kommt zuletzt. Während die meisten anderen Spieler der Dallas Mavericks bereits den Ausgang des American Airlines Centers suchen, macht sich Dirk Nowitzki erst auf den Weg von der Dusche zurück zu seinem Spind. Das Badehandtuch locker um die Hüfte geschwungen. Links und rechts neben ihm tobt das Chaos: Socken, Schuhe, Handtücher, Tape-Verbände – der gemeine Maverick darf im luxuriösen Locker-Room, der Umkleidekabine, alles auf den tiefblauen, schweren Teppich werfen. Nowitzki zieht sich noch ein bisschen an, Unterwäsche, Hemd und Hose, dann gibt er das Signal: „Okay, ready.“ Die Reportermeute stürzt sich auf den Superstar, um printfähige Zitate zu melken.

In seinem 13. Jahr in der NBA ist Nowitzki längst ein ausgebuffter Medienprofi. Während er sich locker im fetten Ledersessel vor seinem Spind fläzt und anfängt, Socken und Schuhe zu sortieren, kontert er lässig die Fragen der US-Kollegen. Hier ein kleiner Scherz, dort ein Mini-Bulletin zum wichtigsten Knie der Stadt Dallas – und selbst bei der etwas unverschämten Frage, ob es für die Mavs überhaupt einen Unterschied ausmacht, wenn er auf dem Parkett steht, antwortet er höflich „das hoffe ich doch wohl“ und ist sich nicht zu schade, detailliert seinen Beitrag zum Teamerfolg aufzulisten. Im Locker-Room der Mavs mit seinen 16 Spinden hat Nowitzki einen Platz am äußersten Rand, aber in die Ecke drängen lässt er sich nicht. Während er die Möglichkeiten der Mavericks auf den Titelgewinn auslotet, glänzt im Hintergrund an seiner Spindwand eine Farbkopie der NBA-Trophäe. Nowitzki will jeden Tag an sein großes Ziel erinnert werden.

„Könnt ihr die englischen Fragen nicht einfach übersetzen?“, scherzt Nowitzki mit der deutsche Presse-Delegation, aber dann nimmt er sich doch noch extra Zeit für uns und lässt die Themen NBA, Nationalmannschaft, Streik und Basketball beim FC Bayern geduldig über sich ergehen. Er steht jetzt direkt vor uns mit seinen 2,13 Metern Körperlänge und wir blicken alle zu ihm auf. Dann ist es vorbei, die letzte Frage beantwortet und Deutschlands Basketball-Superstar entschuldigt sich. Oben auf seinem Spind, über dem goldenen Namensschild mit dem Schriftzug „Nowitzki“, nickt uns ein letztes Mal sein eigenes Bobblehead Doll zu, eine Art Wackeldackel mit Dirkulesgesicht.

Dallas/Texas, 31. Januar 2011

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