Pokaltriumph in Moll

Borussia Dortmund bezwingt endlich sein Finaltrauma. Doch der mühsame Erfolg über Eintracht Frankfurt wird nicht nur von der Trainerdiskussion überschattet.

(Dieser Artikel lief am 28. Mai 2017 bei zdfsport.de)

Als die Sieger spät nachts im Grand Hyatt Berlin am Potsdamer Platz eintrudelten, war alles ungewöhnlich gedämpft. Das Licht, die Musik, die Begeisterung. Hinter schweren, hölzernen Doppeltüren des „Grand Ballroom B“ wartete nur der engere Kreis der BVB-Familie, um den 2:1-Erfolg gegen Eintracht Frankfurt im DFB-Pokalfinale zu feiern.

Nach zuletzt vier Endspielpleiten in Folge hatte Borussia Dortmund bewusst alles eine Nummer kleiner gewählt. Das passte, denn statt Euphorie war eher Erleichterung das Gefühl des Abends, gemischt mit einer Prise Unsicherheit.

Watzke bleibt schmallippig
Am Ende einer turbulenten Saison 2016/17 musste sich Hans-Joachim Watzke vor dieser Party in Moll freche Fragen gefallen lassen. Zum Trainer – es ist ja ein offenes Geheimnis, dass sich die Wege von Thomas Tuchel und Dortmund wohl bald trennen werden. „Es hat sich nichts geändert, wir werden uns in den nächsten Tagen zusammensetzen und reden“, sagte der BVB-Geschäftsführer schmallippig und gar nicht in Siegerpose.

Aber auch zum möglichen Abschied von Torschützenkönig Pierre-Emerick Aubameyang. „Es gebührt der Respekt, heute nicht darüber zu reden. Wir sind gerade Pokalsieger geworden“, wehrte Watzke ab und flüchtete in die Feier-Wagenburg. Sportdirektor Zorc und auch Tuchel zogen ganz ohne Statement an der Pressemeute vorbei.

Knackiger Spruch
Der Trainer hatte zuvor die große Bühne genutzt, um PR in eigener Sache zu machen. Nach dem mühsamen, aber verdienten vierten Pokalsieg der BVB-Geschichte, hatte er die Charme-Offensive der vergangenen Wochen fortgesetzt und damit vor Millionenpublikum gepunktet. Er lobte und herzte sein Team und trat so den Vorwürfen entgegen, zwischen ihm und Teilen der Mannschaft stimme es nicht. Euphorisch war aber auch er nicht nach dem ersten Titel seiner Karriere, obwohl er über beide Wangen strahlte: „Nach dem Halbfinale in München war es eine Explosion der Freude. Heute fühle ich mich einfach leer.“

Der umstrittene Coach gab sich als loyaler Angestellter. „Ich habe einen Vertrag bis 2018, den möchte ich auf jeden Fall erfüllen.“ Was soll er auch sagen? Zum angespannten Verhältnis zu Watzke fiel Tuchel sogar ein knackiger Spruch ein, als einige Reporter wieder Tauwetter in den Beziehungen zu erspüren meinten: „Nachdem die letzte Umarmung mit Aki handgestoppt war, haben wir uns heute etwas mehr Mühe gegeben.“ Auch bezüglich anstehender Gespräche gab er sich positiv: „Es scheint, als wären die ergebnisoffen.“

Zu sehr um die Ecke gedacht
Zum gleichen Zeitpunkt allerdings diktierte sein eigener Teamkapitän im Bauch des Olympiastadions ganz anderes in die Journalistenblöcke und entlarvte die heile Tuchel-Welt als Wunschvorstellung. „Mich hat es sehr geschockt. Wir stehen alle hinter Nuri“, sagte Marcel Schmelzer auf die Frage, warum Routinier Sahin vom Trainer nicht in den Kader berufen wurde. Nach dem Ausfall von Julian Weigl galt das BVB-Urgestein als erste Wahl für die Startelf, mindestens aber als Bank-Kandidat.

Stattdessen experimentierte Tuchel beim Saisonhöhepunkt mit Matthias Ginter im defensiven Mittelfeld, was in der ersten Halbzeit völlig daneben ging. Genau diese Art von Entscheidungen des Fußball-Nerds – einmal zu sehr um die Ecke gedacht – hatten schon öfters für Verwirrung im Klub gesorgt – nicht nur die zuletzt viel zitierten und viel beachteten Probleme im Miteinander.

Verletzungspech bleibt BVB treu
Dass vor diesem Hintergrund auch die Partie des Favoriten Dortmund über die spielerisch limitierte Eintracht sehr speziell wurde und zum Abziehbild der gesamten Saison, war wohl konsequent. Nach der frühen Führung durch Ousmane Dembelés Zauberhaken verlor der BVB die Kontrolle und die Defensivhoheit und war nach dem Kontertor durch Ante Rebic mit einem Remis zur Pause gut bedient. Bei der Borussia schien genauso die Luft raus wie bei ihren sonst so lebhaften Fans, die im vierten DFB-Pokalfinale in Folge nicht mehr die Kraft für Besonderes hatten. Sie standen klar im Schatten des lautstarken Frankfurter Anhangs.

Wie so oft in dieser Saison schlug auch das Verletzungspech wieder zu. Die zweite Halbzeit mussten die Westfalen ohne Schmelzer bestreiten und ohne Marco Reus, der sich später vage über „ein bisschen Kreuzband“ beklagte. „Megabitter“, sagte Tuchel zum erneuten Ausfall des Nationalspielers. Vor allem dank Joker Christian Pulisic riss sich Dortmund aber zusammen, und kam durch einen von Aubameyang frech verwandelten Foulelfmeter zur erneuten Führung, die den Sieg und das Happy-End für den BVB bedeutete.

Aubameyang als Stimmungskanone
Paradiesvogel Aubameyang erschien später gewohnt schrill auf der nächtlichen BVB-Party. Mit blauen Glitter-Sakko und dem goldenen Pokal in den Armen musste er von den Mikros weggezogen werden, damit es hinter verschlossenen Türen des „Grand Ballroom B“ endlich losging. Ob er dem Klub erhalten bleibt und wie groß der nächste BVB-Umbruch folglich aussieht, konnte er nicht mehr loswerden.

Für den Gute-Laune-Garanten blieb stattdessen noch die Aufgabe, die Stimmung von Erleichterung auf Euphorie zu heben. Denn spätestens heute Nachmittag beim Umzug um den Borsigplatz wollen es die Borussen doch noch kräftig krachen lassen, so wie es sich für einen Pokalsieger gehört.

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