Klopp geht allerhöchstes Risiko

Breite Brust statt Demut: Vor dem Showdown in der Champions League beim englischen Meister Manchester City gibt sich Borussia Dortmunds Trainer selbstbewusst bis an die Schmerzgrenze.

Wie der freche Pennäler aus der letzten Reihe sitzt Jürgen Klopp auf dem Podium im Etihad-Stadion: selbstbewusst am Rande der Arroganz, den Schalk im Nacken, jederzeit bereit zuzuschlagen. Verbal versteht sich. „Über Manchester City weiß ich viel und sage wenig“, sagt der Meistercoach im Wortsinne von oben herab und legt gleich nach: „Manch einer vermutet uns immer noch mit glänzenden Augen in der Champions League. Aber wir sind einzig und alleine hier, um Punkte mitzunehmen.“ Wer meint, der Trainer von Borussia Dortmund hätte eine Portion Demut gelernt in der vergangenen, katastrophalen Saison der Königsklasse, sieht sich getäuscht. Wie 2011 will Klopp nun im zweiten Anlauf ganz Europa beweisen, wie gut der BVB-Fußball ist. Wie gut sein Fußball ist. Wenn das mal gut geht.

Außenseiter? Der BVB doch nicht
Tage zuvor schien Klopp noch Kreide gefressen zu haben: „Wir habe keine Berechtigung, eine dicke Lippe zu riskieren nach dem Motto ‚Jetzt kommen wir.‘“ Doch auf der abschließenden Pressekonferenz in Nordengland ist alle anfängliche Zurückhaltung passé: Die Schlagzeilenmaschine läuft auf Hochtouren. Den Kopf auf die linke Hand gelehnt, mit einem breiten Grinsen im Gesicht nimmt der Cheftrainer der Dortmunder Borussia halb belustigt, halb gelangweilt Fragen der Journalisten entgegen und drückt Sätze raus wie: „Wir wollen morgen ein Ergebnis holen, damit es uns noch besser geht als heute schon.“

Dass sein Team bei den Buchmachern und Fußballfans deutlicher Außenseiter ist gegenüber der mit abermillionen Euro aufgepumpten Startruppe von der Insel, scheint dem Trainer gehörig auf den Geist zu gehen. „Ich glaube nicht, dass ManCity uns unterschätzt. Die haben auch unsere Spiele gesehen und sind beeindruckt.“ Dabei hat gerade der Gegner allen Grund, selbstbewusst zu sein. Seit 17 Spielen ist der heimstarke englische Meister im Europapokal zuhause unbezwungen, nicht einmal der FC Bayern hat hier im vergangenen Jahr gewonnen.

“Wir haben trotzdem einen Plan”
Offenbar setzt Klopp nicht darauf, seine Mannschaft nach der tollen 5:0-Generalprobe gegen Borussia Mönchengladbach ein wenig zu erden. Stattdessen pumpt der 45-Jährige seine Elf mit Selbstbewusstsein voll. Dabei ist im Etihad Stadium neben dem Gefühl der eigenen Stärke vermutlich auch ein ultrakompakter Auftritt sowie eine gehörige Portion Respekt angebracht. Der Scheich-Klub steht nach der 2:3-Niederlage bei Real Madrid schon unter einem gewissen Erfolgsdruck und wird entsprechend forsch agieren. Der BVB darf sich nicht verstecken, muss aber gleichzeitig das teils naive Spiel der Vergangenheit vermeiden. Denn das könnte gegen Manchester auch im Debakel enden. „City ist gespickt mit Weltstars, aber wir haben trotzdem einen Plan“, sagt Klopp.

Obwohl vermutlich nur eine überdurchschnittliche Defensivleistung des BVB ein Erfolgserlebnis auf der Insel bringen dürfte, ist Klopp ganz und gar nicht beängstigt und lässt die Frage nach den jüngsten Schwachstellen in der Bundesliga und in der Champions League lässig an sich abprallen: „Fehler wie in Frankfurt sind nicht zu erwarten.“ Das wäre auch besser so, denn gegen Offensiv-Stars wie Edin Dzeko, Carlos Tevez oder David Silva kann sich der BVB diese nicht einmal ansatzweise leisten.

Klopp contra Mancini: “Wir haben diese Variante auf dem Rechner”
Auch Torwart Roman Weidenfeller hat die Diktion seines Chefs schon verinnerlicht: „Wir müssen uns nicht verstecken. Ich erwarte ein großartiges Spiel.“ Bei anderen muss Klopp wohl noch Überzeugungsarbeit leisten, sie gehen mit positiver, aber durchaus respektvoller Erwartungshaltung in die Partie: „Von solchen Spielen habe ich schon mit 15, 16 Jahren geträumt“, sagt Nationalverteidiger Mats Hummels, der ein Wiedersehen mit Deutschlands EM-Schreck Mario Balotelli feiern könnte. „Ich möchte mich mit den Besten messen. Hier kann ich sehen, wie weit ich bin“, sagt sein Abwehrkollege Neven Subotic, der seit Jahren keinen Hehl aus seiner Vorliebe für die englische Premier League macht.

Messen muss sich auch Jürgen Klopp, an seinem Gegenüber Roberto Mancini. Der gut drei Jahre ältere City-Trainer bewegt sich schon auf europäischen Topniveau, nicht nur weil der obligatorische, feine Champions-League-Anzug beim Italiener keinesfalls wirkt wie eine Verkleidung für den Abi-Ball. Der frühere Klasse-Stürmer von Sampdoria Genua ist Klopp als Trainer von Klubs wie AC Florenz, Lazio Rom und Inter Mailand etliche Pokalsiege und Meisterschaften voraus und hat sich in kürzester Zeit mit einem FA-Cup-Erfolg und zuletzt dem Gewinn der Premier League auch im Ausland etabliert. Für den deutschen Herausforderer gilt es, die hohe italienische Taktikschule zu schlagen. Mancini stehen mit seinem Luxuskader gleich mehrere Varianten zur Verfügung, etwa das beliebte 4-5-1-System oder die etwas angestaubte, aber gerade deshalb gefährliche Alternative mit Dreier-Abwehr und zwei Stürmern. Auch hier sieht Klopp keine Gefahr. „Wir haben diese Variante auf dem Rechner.“

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