Nächster Rückschlag für Marco Reus

Borussia Dortmunds Pechvogel muss die Hoffnung auf ein Comeback gegen den FC Bayern kurzfristig begraben. Aufgrund neuer Probleme will der BVB bei Marco Reus nichts riskieren.

In der Woche vorm Bayern-Spiel treibt der Wind dunkelgraue Wolken über das Trainingsgelände im Dortmunder Vorort Brackel. Ungemütlich ist es an der Adi-Preißler-Allee, wo sich die Borussia auf kommende Aufgaben vorbereitet. „Usselig” würden Einheimische sagen – Marco Reus zum Beispiel, ein Ur-Dortmunder, die Familie betreibt fünf Kilometer vom BVB-Gelände ein Café.

Als die Einheit beginnt, bricht tatsächlich kurz die Sonne durch, und auch für Schwarz-Gelb gibt es einige Hoffnungsschimmer: Das BVB-Lazarett hat sich stark gelichtet und auch jener Reus trainiert voll mit. Doch am Tag vor dem Spiel wird es wieder düster, die ernüchternde Nachricht lautet: Marco Reus fällt aus. Das erhoffte Comeback nach sechs Monaten Zwangspause ist erneut verschoben.

Kurz vor der Kader-Rückkehr
„Leichte Fersenprobleme“, werden von Borussia Dortmund kommuniziert. Man wolle nach der langen Ausfallzeit kein Risiko eingehen. Dabei sah alles so gut aus. Noch vor zwei Wochen schwärmte Trainer Thomas Tuchel vom Fortschritt bei seinem Sorgenkind: “Es ist ein Genuss, Marco im Training zu sehen. Er ist in Topverfassung und auf bemerkenswertem spielerischen Niveau“. Die Hoffnung, die Leidenszeit nach 181 Tagen zu beenden, war sehr real.

Ein Kreis hätte sich geschlossen
Der 27-Jährige stand komplett im Teamtraining und machte noch am Dienstag in Brackel einen super Eindruck, zeigte Elan, Spielfreude und einen explosiven Antritt. „Marco brennt“, hatte BVB-Sportdirektor Michael Zorc im „kicker“ gesagt. Im Topspiel gegen den FC Bayern sollte Reus eigentlich wieder im 18er-Kader stehen. Mit einem Kurzeinsatz hätte sich ein Kreis geschlossen. Denn zuletzt trat er am 21. Mai im DFB-Pokalfinale gegen München an. Damals quälte er sich angeschlagen bis ins unglückliche Elfmeterschießen, für seine Mannschaft und seinen weiter unerfüllten Titeltraum.

Schwacher Trost im Sommer
Danach ging seine jüngste Pechsträhne los. „Leichte Schambeinentzündung“ lautete die Diagnose, und dass der verniedlichende Zusatz medizinisch zumindest fragwürdig war, offenbarte sich, als Reus aus dem Kader für die Europameisterschaft flog. Adduktorenprobleme kamen dazu, und so riss „Woodyinho“ das vom Klub merkwürdig hartnäckig verkündete Comeback-Ziel „Mitte August“ deutlich. Neben dem WM-Titel 2014 und der EM 2016 hat das Sorgenkind des deutschen Fußballs nun in 2,5 Jahren auch schon mindestens 48 Dortmund-Spiele verpasst. Dass der BVB-Star im Sommer aufs Cover des Konsolenspiel-Bestsellers „FIFA 17“ sprang, war nur ein schwacher Trost.

Rasselbande füllt das Vakuum
Der BVB hat den längsten Ausfall seiner Nummer elf bislang recht ordentlich kompensiert. Auch ohne Reus haben die Westfalen vorzeitig das Achtelfinale der Champions League erreicht, und im DFB-Pokal sind die Westfalen ebenso weiter. Dortmunds neue Rasselbande füllt das Offensiv-Vakuum ansatzweise ganz gut. Ousmane Dembélé etwa, diese Woche mit dem Startelfdebüt für Frankreichs Nationalelf belohnt, oder US-Boy Christian Pulisic. Beide sammelten insgesamt schon acht Scorerpunkte. Oder Raphael Guerreiro, der als Standardschütze eine andere Reus-Domäne besetzt.

Vorbereiter Reus wird vermisst
Und doch zeigte sich in den vergangenen Wochen, wie wichtig Reus’ Rückkehr gewesen wäre. Nach starkem Saisonstart gelang Dortmund jüngst nur ein Sieg in fünf Spielen, der Vizemeister rutschte auf Rang fünf ab. Bei den Pleiten in Leipzig und Leverkusen oder den mageren Remis gegen Ingolstadt und Hertha hatte die mit 25 Treffern beste Offensivmaschine der Liga plötzlich große Probleme. Bei der Nullnummer gegen Schalke gelang dem BVB in der ersten Hälfte kein einziger Torschuss. Gegen disziplinierte Gegner werden kreative Reus-Momente vermisst. Im Saisonschnitt kommt er auf 13 Torvorlagen, das fehlt. An seiner Seite könnten andere heller glänzen. Mario Götze etwa, mit dem er schon 2012/13 für große BVB-Momente sorgte, erhofft sich vom Kumpel Hilfe beim Spielaufbau.

Der Gegner heißt nicht Bayern
Wann Reus nun zurückkommt, bleibt ungewiss. Wenn es irgendwann soweit ist, wird Schwarz-Gelb seinen Ideengeber sehr behutsam aufbauen und die Einsätze nur langsam steigern. Der FC Bayern ist ohnehin nicht der echte Gegner. In diesem Umbruch-Jahr heißen die Leipzig, Hertha, Hoffenheim, vielleicht bald Leverkusen oder Schalke. Für diese Duelle wird Deutschlands Fußballer des Jahres 2012 gebraucht. Wenn Dortmund oben dran bleibt, reicht es völlig, wenn Reus nach der Winterpause fit ist – rechtzeitig, um mit einem vor allem auswärts konstanteren BVB einen Kickstart hinzulegen.

Es fehlt ein zweiter Torjäger
Das Signal an die Konkurrenz lautet dann: Wenn im Edelkader wieder alle an Bord sind, führt bei der direkten Qualifikation für die Königsklasse kein Weg an Dortmund vorbei. Zudem könnte in der aktuellen Runde der Champions League mit Losglück mehr drin sein als nur das Achtelfinale. Für beide Ziele wäre es wichtig, dass sich nicht alles auf Alleinunterhalter Aubameyang konzentriert, zurzeit einziger BVB-Spieler mit mehr als zwei Liga-Treffern. Ein gesunder Reus wäre als Alternative so unglaublich wichtig: In vier Spielzeiten für Schwarz-Gelb hat der Knipser wettbewerbsübergreifend bereits satte 76 Tore erzielt.

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