Dem DFB-Team fehlt der Killerinstinkt

Beim verdienten Sieg über Färöer wuchert die deutsche Nationalmannschaft mal wieder mit ihren Chancen – das könnte schon bald zu einem Problem werden.

Für alle Beteiligten des DFB-Teams war der Sieg über die Färöer zum Auftakt der WM-Qualifikation schnell abgehakt. Klar gewonnen – Pflicht erfüllt. Und doch mischte sich unter die Stimmen der Spieler und des Bundestrainers ein ganz leichter Unterton der Unzufriedenheit und Sorge. „Wir lassen zu viele Möglichkeiten aus. Das ist zurzeit unser Problem”, legte Joachim Löw nach der einseitigen Partie von Hannover den Finger in die Wunde. Sein Team hatte zwar drei tolle Tore erzielt, aber auch satte neun weitere Großchancen fahrlässig verschenkt.

„Vielleicht hat die Konzentration gefehlt“, mutmaßte Sami Khedira. Dem Mittelfeldmotor von Real Madrid war die Vorstellung der deutschen Offensive wohl ein wenig zu verschnörkelt und verspielt. „Einige Male haben wir den Ball schon zu früh im Tor gesehen.“ Insbesondere in der ersten Hälfte vergab die DFB-Elf Möglichkeiten beinahe im Minutentakt. Dabei stachen Marco Reus und Miroslav Klose ganz besonders hervor – ausgerechnet jene beiden Akteure, „die sonst immer eiskalt sind“, wie Mesut Özil bedauerte.

Die Eiskalten sind plötzlich gar nicht mehr cool
Der Dortmunder Reus rechtfertigte seinen Startelfeinsatz mit viel Drive, großem Einsatz auch in der Rückwärtsbewegung und einigen wirklich starken Ideen und Anspielen. Doch vor dem Tor ließ Reus, in der vergangenen Saison noch satte 18 Mal Knipser für Gladbach, seinen Torriecher vermissen. Zwei Mal hatte er sich in allerbeste Position gebracht (7.,21.), doch beide Male scheiterte er an Gäste-Torwart Gunnar Nielsen, der gerade als dritter Keeper bei Manchester City aussortiert wurde. „Die Champions League wird für den einen oder anderen Spieler sicher hilfreich sein,“ antwortete Löw auf die Frage, wie Kaltzschnäuzigkeit vorm gegnerischen Kasten zu lernen sei – und er meinte damit ganz offensichtlich die Dortmund-Fraktion um Reus.

Aber auch der international erfahrene Klose offenbarte fehlendes Schussglück in einer Partie, die eigentlich gemalt war für ihn. Gegen den aufopferungsvoll kämpfenden, aber oft überforderten Außenseiter von den Schafsinseln hätte der Angreifer von Lazio Rom dem Torrekord von Gerd Müller wieder ein deutliches Stück näher kommen können. Doch weil Kopfballexperte Klose erst nur aufs Tornetz traf (14.), und dann Reus‘ famose Vorlage in den Nachthimmel jagte (37.), fehlen weiterhin vier Treffer bis zur historischen Marke von 68. Im zweiten Durchgang wich Mittelstürmer Klose dann immer öfter auf die Seiten aus, weil es im Zentrum schlicht zu eng wurde angesichts der kollektiv nach vorne drängenden deutschen Mannschaft. So beraubte sich die DFB-Elf selbst ihrer gefährlichsten Waffe.

Götze und Özil richten es
Mit dem Wechsel Klose gegen Lukas Podolski vollzog der Bundestrainer schließlich eine Viertelstunde vor Schluss komplett den Schritt weg vom echten Stürmer. Wie das große Vorbild Spanier in einigen EM-Auftritten brachte Deutschland die Partie streng genommen im 4-6-0-System zu Ende. Gegen den 154. der FIFA-Weltrangliste ging das trotzdem gut. Zu wenig Widerstand und Klasse war von den Halbprofis aus dem hohen Norden zu erwarten. So reichten letztlich ein tolles Solo von Mario Götze im ersten Durchgang (28.) und zwei schöne Tore von Mesut Özil nach dem Wechsel (54., 71.) zum lockeren und völlig verdienten Erfolg. Mit einem zwinkernden Auge durfte sich Löw sogar über den „Rekordsieg gegen Färöer“, freuen – die früheren Duelle in der EM-Qualifikation 2004 waren nur knapp und mühsam 2:1 und 2:0 ausgegangen.

Als Einzel- oder Zufall wollte die DFB-Elf die Schwierigkeiten im 500. Sieg der DFB-Länderspielgeschichte aber nicht abtun. Der Bundestrainer gab offen zu, dass ihm die schwache Torquote bereits im verlorenen Testspiel gegen Argentinien gegen die Hutschnur ging. Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff griff sogar noch weiter zurück und erinnerte, man habe das „schon bei der Europameisterschaft ein wenig gespürt.“ Bei der Halbfinalpleite gegen Italien etwa hätte die deutsche Mannschaft ja durchaus in Führung gehen können. Daher gab Löw angesichts der anstehenden Aufgabe in vier Tagen in Wien zum Abschluss den Mahner und Warner: „Österreich ist so gut wie seit Jahren nicht mehr. Sie werden sich nicht mit zehn Mann hinten rein stellen und sind offensiv gefährlich. Sie werden uns das Leben schwer machen.“ Sprich: Vor der heißen Kulisse im Ernst-Happel-Stadion sollte die deutsche Elf ihre Chancen endlich deutlich konsequenter nutzen.

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