Gegen Österreich: Löw befürchtet ein Duell auf Augenhöhe

Vorm Prestigeduell in der WM-Qualifikation gibt sich Goliath Deutschland plötzlich klein und bescheiden, David Österreich dagegen schwingt bereits beherzt die Schleuder.

Nachbarschaftliche Annäherung – gerade zwischen den Deutschen und den Österreichern ist das ja immer so ein Problem. Doch im Fußball ist alles möglich, das beweisen die Nationalmannschaften der beiden Teams auf ungewöhnliche Weise. Während Bundestrainer Joachim Löw das Spiel in der WM-Qualifikation nutzt, um die Österreicher zu einem Gegner von Weltformat hochzuloben, träumen die Gastgeber ihrerseits öffentlich vom ersten Pflichtspielsieg über die Piefkes seit 34 Jahren. Und so stellt das Prestigeduell in Wien zumindest im verbalen Schlagabtausch schon genau das dar, was Löw auch auf dem Rasen erwartet, nämlich: „ein Duell auf Augenhöhe“.

Wie eine Eloge an eine große Fußballnation
„Die Österreicher sind sehr selbstbewusst – und das völlig zu Recht“, sagte Löw auf der Abschluss-Pressekonferenz im Ernst-Happel-Stadion und ging dabei deutlich über die üblichen Höflichkeitsadressen früherer Tage hinaus. Seine Einschätzung des 49. der FIFA-Weltrangliste hörte sich an wie die Eloge an eine große Fußballnation. „Die Mannschaft hat eine sehr gute Grundordnung. Sie ist in der Lage, wahnsinnig schnell umzuschalten“, sagte Löw und warnte vor dem Duell gegen ein Team mit neun ausgebufften Bundesliga-Legionären, die in ihren deutschen Klubs Leistungsträger seien.

Bei aller Stärke, die dem aktuellen Team der Österreicher im Vergleich zu früheren Tage zuzuschreiben ist, lässt das aber mehrere Aspekte unberücksichtigt. So steht auf einer so neuralgischen Position wie der des Torwarts in Robert Almer nur ein Ersatzspieler von Aufsteiger Fortuna Düsseldorf auf dem Platz. Außerdem spielen die meisten Akteure in Vereinen, die eher in die Europa League streben als in die Champions League. Und schließlich ist Österreich Fußballer des Jahres, David Alaba vom FC Bayern, wegen einer Verletzung erst gar nicht dabei.

Der Bundestrainer baut einer Niederlage vor
Die Offensivkräfte Marko Arnautovic und Martin Harnik bekamen sogar ein Extralob vom Trainer des 2. der Weltrangliste. Auch für den gegnerischen Coach fand Löw nur Lob. „Marcel Koller steht für gut organisierte Mannschaften mit einer sehr, sehr guten Grundordnung.“ Die Rot-Weiß-Roten spielten mutig und offensiv, wie man es in den letzten Aufeinandertreffen 2008 und 2011 noch nicht gesehen habe. Fazit Löw: „Ich gehe von einem aggressiven Abnützungskampf aus.“

Auch vor dem zu erwartenden Hexenkessel des früheren Praterstadions hat der Bundestrainer größten Respekt. „Das Wiener Publikum wird hinter ihrer Mannschaft stehen wie nie.“ Als letzten Sicherungsbalken zog der 52-Jährige vorsorglich sogar die Entschuldigung für den Falle einer Niederlage ein: „Es werden insgesamt 30 Punkte vergeben. Die Qualifikation ist ein Langstreckenrennen.“

Zurück zur Demut
Den Gegner groß machen und sich selbst ein wenig kleiner – das scheint eine der großen Lehren aus dem Scheitern bei der EM zu sein. Dort sprach Löw bis zum enttäuschenden Halbfinal-Aus nur über die eigenen Stärken und die Spieler dachten nur an das Duell mit Spanien und an den Titelgewinn. Das hört sich nun ganz anders an. „Die Fallhöhe bei der Europameisterschaft war sehr groß“, gab Löw zu – und damit demütig den Abschied vom strotzenden Selbstbewusstseins bekannt. „Wir müssen kleinere Schritte machen und dürfen jetzt nicht an den WM-Titel denken. Wir spielen in einer wahnsinnig ausgeglichenen Qualifikations-Gruppe.“

Damit gab der Bundestrainer zwischen den Zeilen Mittelfeldspieler Sami Khedira Recht, der in einem „kicker“-Interview als Knackpunkt angeprangert hatte, die DFB-Elf sei sich vor der EM-Niederlage gegen Italien einfach zu sicher gewesen, das Endspiel zu erreichen.

Selbst der ruhige Schweizer hat feuchte Hände
Ganz entgegengesetzt verhält es sich dagegen gerade bei den Österreichern, nachdem das Team zuletzt sogar erstmals seit Ewigkeiten einen Sieg über die Türkei feiern durfte. Kapitän Christian Fuchs fordert beim Außenseiter, der vermutlich über die beste Mannschaft seit über 30 Jahren verfügt, jedenfalls ein Ende der Bescheidenheit: „Wir dürfen uns nicht zu klein machen.“ Für die Österreicher „wäre es toll, die Deutschen mal auf die Schaufel zu nehmen.“ Der Schalker Außenverteidiger ist sich sicher, dass der Respekt des großen Nachbarn gewachsen ist. „Wir haben Qualitäten, auf die wir uns berufen können.“

Mittelfeldspieler Veli Kavlak von Besiktas Istanbul hatte sogar getönt: „Bei allem Respekt. Diesmal gewinnen wir 2:1.“ Trainer Koller, der die Bundesliga aus seiner Zeit beim VfL Bochum und beim 1. FC Köln kennt, gibt sich nicht ganz so selbstbewusst. Aber selbst den ruhigen Schweizer juckt die Aussicht auf den Favoritensturz: „Ich habe feuchte Hände, wenn ich ans Spiel denke. Aber nicht aus Nervosität, sondern aus Vorfreude.“

Diesen Artikel mit Freunden teilen?

    Kommentar verfassen