Der Geheimfavorit lässt die Maske fallen

Nach der Götze-Gala bei Ajax Amsterdam und dem beeindruckenden Durchmarsch in der Gigantengruppe der Champions League warten große Ziele auf Borussia Dortmund.

Wie in Trance begaben sich die Spieler von Ajax Amsterdam auf eine kleine Ehrenrunde, einige mit schwarz-gelben Trikots als Souvenirs ausgestattet. Spätestens auf dem Weg in die Kabine aber, als ihre eigenen Balljungen Spalier standen und den Gegner abklatschten, wurde ihnen die schreckliche Realität der vorangegangen 90 Minuten bewusst: Nicht sie waren die gefeierten Helden an diesem denkwürdigen Abend in der Amsterdam Arena, sondern die Gäste aus Dortmund.

Mit 4:1 war die Borussia über den keinesfalls schwach spielenden Meister der holländischen Eredivisie hinweggefegt, und die jungen Helfer am Rande hatten wohl das richtige Gespür: Diese Mannschaft aus dem Nachbarland, von Trainergrößen wie Jose Mourinho oder Sir Alex Ferguson zum Geheimfavoriten erklärt, hat offenbar wirklich das Zeug dazu, in der Champions League eine große Nummer zu werden.

Szenenapplaus vom Gegner
Die gesamte Ajax-Gemeinde war Zeuge und unfreiwilliger Teil einer Gala der Disziplin, der Effektivität und der schönen Spielzüge des Deutschen Meisters geworden. Selbst die pessimistischsten Fans der Schwarz-Gelben wurden zu wilden Träumen animiert, die Anhänger der Rot-Weißen zollten Respekt und spendeten sogar Szenenapplaus.

Allein der Auftritt von Mario Götze dürfte den Anwesenden jeglicher Couleur lange in Erinnerung bleiben. Was der 20-Jährige auf den Rasen der Ajax-Arena zauberte, ist mit Worten nur schwer zu fassen. Dortmunds Mittelfeldass ist endgültig auf der großen Bühne der Königsklasse angekommen. Auf der Bühne, von der schon länger klar war, dass sie eines Tages ihm gehören würde, wenn nicht etwas Unvorhersehbares passiert.

Götze “außergewöhnlich – seinen Fähigkeiten entsprechend”
Beim frühen 1:0 durch Marco Reus, der seinen BVB nun schon zum dritten Mal in Folge auswärts in Führung brachte, spielte Götze erst Doppelpass mit Lukas Piszczek und dann wunderbar mit eben jenem Reus. Vorm 3:0 zwang er Amsterdams Keeper Kenneth Vermeer zu einer verunglückten Faustabwehr, so dass Robert Lewandowski nur abstauben musste, Beim 4:0 spielte Götze mit Kevin Großkreutz über Bande, nur um dann erneut Lewandowski perfekt zu bedienen.

Und zwischendurch hatte Dortmunds Mittelfeldjuwel auch noch selbst getroffen: nach einem starken Dribbling, mit einem Schuss von der Strafraumkante, platziert neben den Innenpfosten. Und das war längst nicht alles. Immer wieder setzte Götze zu atemberaubenden Sololäufen an. Immer wieder setzte er seine Kollegen gekonnt in Szene. Trainer Jürgen Klopp fasste die Leistung in der passenden Kurz-Analyse zusammen: “Er hat außergewöhnlich gespielt – seinen Fähigkeiten entsprechend.“

Klopp zeigt Genugtuung
Das junge Ajax-Team klammert sich nun an den Strohhalm, im letzten Gruppenspiel bei Real Madrid noch Rang drei für die Europa League zu verteidigen, um dann in der nächsten Saison in der Champions League vom Lernprozess zu profitieren. So wie es der BVB in ähnlicher Ausgangsposition vorgemacht hat. Das immer noch jugendliche Klopp-Team hat nach der Seuchensaison im ersten Anlauf nun vorzeitig den Gruppensieg sicher.

Und das gegen Gegner wie Ajax, Real Madrid und Manchester City – allesamt Meister in ihren Ligen. “In der Vergangenheit mussten wir uns den Vorwurf gefallen lassen, den deutschen Fußball nicht würdig vertreten zu haben”, erklärte Trainer Klopp mit einiger Genugtuung nach der Partie. “Es ist ein Fingerzeig, dass auch diese Art von Fußball funktioniert.”

Bender wieder im Pech
So wie in den ersten vier Spielen funktionierte das erneut ziemlich gut in Amsterdam – und sogar noch besser. Denn weil die Schwarz-Gelben diszipliniert agierten und neben Götze auch das Kollektiv glänzte, zogen sie ihr Ding diesmal erfolgreich durch und wurden nicht erneut knapp vorm Schlusspfiff um den verdienten Sieg gebracht wie in Manchester oder Madrid.

Beim obligatorischen späten Gegentreffer durch Danny Hoesen hatten die Dortmunder schon so viel Distanz aufgebaut, das schlicht nichts mehr schief gehen konnte. Nicht einmal der vermutlich erneute Nasenbeinbruch von Dauerpechvogel Sven Bender nach gut einer Stunde warf den BVB aus der Bahn. Den ersten Auswärtserfolg in der Champions League seit dem 1:0 beim AC Mailand im Frühjahr 2003 hatte sich der Revierklub redlich erarbeitet und erspielt.

Alles ist jetzt möglich
Trainer Klopp wollte daher gar nicht erst damit hinter dem Berg halten, was der Durchmarsch in der Gigantengruppe für ihn persönlich und für den Klub bedeutet. “Das ist ein großer Abend für uns, vergleichbar mit dem DFB-Pokalsieg.” Doch anders als der Erfolg in Berlin stellt der Einzug ins Achtelfinale nicht den Schlusspunkt, sondern womöglich den Ausgangspunkt für etwas Großes dar. Mit ein bisschen Losglück könnte es die Borussia weit bringen in der Königsklasse. In der Form der Vorrunde gehört der BVB jedenfalls zu den Teams, denen die Konkurrenz in diesem Wettbewerb wohl liebend gerne aus dem Weg gehen würde.

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