“Wir haben uns verzockt.” Bei der Generalprobe für den Showdown in München beraubt sich Borussia Dortmund selbst seiner stärksten Waffe. Im Duell mit Aufsteiger Fortuna Düsseldorf lässt der BVB fahrlässig Punkte liegen.
Als die Partie in Dortmund nach gut 95 Minuten zu Ende war, sank Kevin Großkreutz auf den Rasen, als hätte er gerade ein WM-Finale verloren. Mit leerem Blick nahm das Dortmunder Urgestein den erneuten Rückschlag zur Kenntnis. Seine Borussia, vor drei Tagen noch als Mentalitäts-Monster gelobt, war grandios daran gescheitert, die Generalprobe für den Showdown beim FC Bayern lässig und mit halber Kraft über die Bühne zu bringen: Beim 1:1 im Heimspiel gegen Aufsteiger Fortuna Düsseldorf gab der Meister eine Pausenführung noch leichtfertig aus der Hand und ließ zum schon siebten Mal in dieser Saison Punkte liegen. „Wir haben uns verzockt“, gab Innenverteidiger Neven Subotic freimütig zu.
Einmal aufs Gaspedal reicht zur Führung
Anstatt zumindest für eine Nacht bis auf erträgliche sechs Zähler an den Spitzenreiter aus München ran zu rücken und vorm Gigantenduell mit dem FC Bayern Druck aufzubauen, leistete sich der BVB den nächsten selbstverschuldeten Ausrutscher. Im Derby gegen Schalke war das Team durch ein Taktikexperiment von Trainer Jürgen Klopp an die Wand gefahren, nun aufgrund eigener Überheblichkeit. Einige hundert Kilometer weiter südlich dürfte das Malheur des Titelverteidigers für zusätzliche gute Laune gesorgt haben. Was dreckige Siege angeht, kann den Roten einfach niemand das Wasser reichen.
Dabei hatte alles nach Plan begonnen für den BVB. Nachdem die Akteure die gespenstisch stillen 12:12 Minuten der Anfangsphase überstanden hatten, in der die Hardcore-Fans mit kollektivem Schweigen gegen das Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball-Liga protestierten, traten die Schwarz-Gelben einmal kräftig aufs Gaspedal. Das reichte, um kurz vor der Pause durch ein Traumtor von Jakub Blaszczykowski standesgemäß in Führung zu gehen.
Borussia ruft einseitigen Waffenstillstand aus
Doch spätestens Mitte der zweiten Hälfte nahm das Unglück seinen Lauf. „Da konnte man förmlich riechen, dass was passiert“, sagte Klopp. Mit der Führung im Rücken zog der BVB-Express die Handbremse an und entwaffnete sich so selbst. Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Mario Götze saßen ohnehin mit Blick auf das anstehende Bundesliga-Highlight auf der Tribüne. Als Klopp dann noch Sebastian Kehl und Marco Reus aus der Partie nahm, verstand seine Elf das endgültig als Signal für Standgas. „Das hat sich aus dem Spiel heraus ergeben“, sagte Klopp nachher und dementierte, den Abschied vom Vollgasfußball bereits vorab als Losung deklariert zu haben. Die bis dahin völlig harmlose Fortuna nahm den einseitigen Waffenstillstand gerne an. „Und ihr wollt Deutscher Meister sein!“, sangen die Fans des Außenseiters früh und voller Inbrunst, als hätten sie eine Vorahnung.
Bei einem nicht geahndeten Ellbogenschlag von Felipe Santana gegen Ivan Paurevic im Strafraum hatte der BVB Glück, dass Schiedsrichter Deniz Aytekin nicht auf Elfmeter entschied. Als Stefan Reisinger nach gut einer Stunde das Kunststück fertig brachte, bei einem Konter des Aufsteigers den eigenen Teamkollegen Ken Ilsö zu treffen anstelle des leeren Tores, hätte man den Klubnahmen Fortuna locker auf den BVB überschreiben können. Aber in der 78. Minute machte Reisinger es dann viel besser, als er gegen die erneut halbherzige Dortmunder Abwehr zum Ausgleich einköpfte. Plötzlich hatte es der BVB sehr, sehr eilig. „Nach dem 1:1 haben wir den Druck dramatisch erhöht“, erkannte Klopp richtig. Erst in diesen letzten 15 Minuten inklusive Nachspielzeit agierte sein Team annähernd wie gewohnt. „Gegenpressing ist kein Vorschlag, sondern Pflicht!“, kritisierte der Coach. „Das hatten wir heute erst zu spät im Angebot.“
Klopp ärgert sich über die verpasste Chance
Fast hätte es trotzdem noch zum Happy-End gereicht. Doch Lukasz Piszczek köpfte in der Schlussminute Düsseldorfs Keeper Fabian Giefer an. Die größte Chance aber vergab Großkreutz kurz zuvor, als er völlig freistehend aus vier Metern den Ball auf die Südtribüne jagte, die schon auf Jubelmodus umgeschaltet hatte. So verschenkten die Dortmunder nicht nur die vage Möglichkeit, im Fernduell mit den Bayern zu punkten. Die Titelverteidigung erklärt die Chefetage ja sowieso regelmäßig zum Wolkenkuckucksheim. Vielmehr verpasste der BVB die viel reelere Chance, Rang zwei abzusichern nach den Niederlagen der Konkurrenten Schalke und Frankfurt. „Mit einem Sieg hätten wir den Abstand zu Platz drei und vier schaffen können“, ärgerte sich Klopp. Falls Leverkusen in Bremen gewinnt, fährt er mit den Mensch gewordenen Mentalitäts-Monstern sogar nur als Tabellendritter zum möglicherweise lachenden Sieger des 14. Spieltags.
Naja, schauen wir mal. Wenn sich das Kräfte schonen für Samstag dann wenigstens rentiert, kann man vielleicht noch ein Auge zudrücken 😉
Trotzdem ärgerlich. Zwischen Vollgas und Standgas gibt’s noch eine Menge Abstufungen.
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